Osteoporose

  • Die Osteoporose ist durch eine übermäßig rasche Verminderung der Knochenmasse und eine Störung der Knochenzusammensetzung charakterisiert.
  • Es kommt zu einer verminderten Knochenfestigkeit und damit zu einem erhöhten Frakturrisiko. Die Osteoporose kann das gesamte Skelettsystem betreffen.
  • Am häufigsten ( 95 Prozent ) ist die primäre Osteoporose, die, im Gegensatz zur sekundären Osteoporose, nicht Folge einer anderen Erkrankung ist.
  • In den ersten drei Lebensjahrzehnten nimmt die Knochenmasse zu – bis zum Erreichen der sogenannten „ peak bone mass“ . Etwa ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Knochenmasse mit zunehmendem Alter wieder ab – um etwa 0,5% pro Jahr.
  • Bis zu einem gewissen Ausmaß ist die Abnahme der Knochenmasse Teil des natürlichen Alterungsprozesses.
  • Bei Frauen kommt es in den ersten 10 Jahren nach der Menopause regelhaft zu einem stärkeren Knochenverlust von mind. 2% pro Jahr. Daher haben Frauen jenseits der Menopause ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose.
  • Die Osteoporose ist die häufigste Knochenerkrankung im höheren Lebensalter.
  • Für Deutschland wurde die Prävalenz der Osteoporose in mehreren Studien geschätzt, genaue Daten liegen nicht vor.
  • So geht man davon aus, dass bei etwa 20-30% der Frauen, die über 50 Jahre alt sind, und bei etwa 5% der Männer eine Osteoporose vorliegt. Bundesweit ist mit etwa 850.000 Neuerkrankungen jährlich zu rechnen.
  • In Deutschland verursacht die Osteoporose jährlich etwa 3 Milliarden Euro an direkten und indirekten Krankheitskosten und hat damit große volkswirtschaftliche Bedeutung.
  • Die Osteoporose wurde von der WHO in die Liste der 10 wichtigsten Erkrankungen aufgenommen. 
  • Immobilität
  • Untergewicht
  • Höheres Alter
  • Geschlecht (Frauen > Männer)
  • Genetische Faktoren (positive Familienanamnese)
  • Hormonelle Faktoren: späte Menarche, frühe Menopause
  • Medikamente: Glukokortikoide, Protonenpumpeninhibitoren (PPI), Antikoagulantien u.a.
  • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis)
  • Endokrine Erkrankungen (Diabetes mellitus, Hyperthyreose)
  • Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum
  • Zu Beginn treten oft keine oder nur geringe Beschwerden auf.
  • Erste Hinweise sind Knochenschmerzen, v.a. im Rücken, Muskelverspannungen durch Fehlhaltung und ein Verlust an Körpergröße. Klinisch apparent wird die Osteoporose oft erst durch Frakturen. Dann spricht man von manifester Osteoporose (s. Tab. 3).
  • Typischerweise liegt den Frakturen kein adäquates Trauma zugrunde.
  • Die häufigsten osteoporotischen Frakturen entstehen im Bereich der Wirbelkörper, am Schenkelhals, distalen Unterarm und proximalen Oberarm. Insbesondere Sinterungs- und Kompressionsfrakturen der Wirbelkörper werden häufig spät diagnostiziert.
  • Plötzliche, meist starke Schmerzen im Rücken, die nach einigen Wochen wieder abklingen, werden oft als „Hexenschuss“ fehlgedeutet. 

Risikobestimmung:
In Deutschland leiden über 5 Millionen Menschen an Osteoporose (deutsch: Knochenschwund). Alle 5 Minuten bricht ein Wirbelkörper als Folge von Knochenschwund. Möglicherweise haben Sie bereits eine Wirbelkörperbruch erlitten, ohne dass Sie es wissen. Denn häufig werden diese Brüche nicht erkannt, weil sie im Anfangsstadium glimpflich verlaufen können. Wenn bei Ihnen aber bereits ein Bruch geschehen ist, ist damit zu rechnen, dass Sie weitere Knochenbrüche erleiden. Im fortgeschrittenen Stadium des Knochenschwundes verlaufen die Brüche meist äußerst schmerzhaft und können sogar zu chronischen Behinderungen führen. Wir wollen Ihnen helfen dies zu vermeiden, denn Knochenschwund muss nicht sein. Er kann verhindert und behandelt werden.

Wer sollte diesen Test unbedingt machen?
Diesen einfachen schnellen Selbsttest sollten Sie machen, wenn Sie entweder:

  • über 40 Jahre alt sind
  • oder um mehr als 4 cm kleiner geworden sind
  • oder unter Rückenschmerzen leiden
  • oder nach dem 40. Lebensjahr einen Knochenbruch aus geringfügigem Anlass erlitten haben.

Warnzeichen für Osteoporose:

  1. Hat/Hatte Ihre Großmutter, Mutter oder Schwester eine Osteoporose, einen Rundrücken, einen Unterarm-, Wirbelkörper- oder Schenkelhalsbruch?
  2. Haben Sie nach dem 40. Lebensjahr einen oder mehrere der folgenden Knochebrüche erlitten? Unterarm, Wirbelkörper, Oberschenkelhals, Oberarm, Rippe
  3. Nur für Frauen: Beträgt bei Ihnen die Dauer der natürlichen Monatsregel 30 Jahre oder weniger (z.B. erste Monatsregel nach dem 14. und letzte Monatsregel vor dem 44. Lebensjahr) oder hatten Sie ein langanhaltendes Ausbleiben der Monatsregel (mehr als 12 Monate)?
  4. Ist Ihre körperliche Aktivität vermindert? Sind Sie an Haus gefesselt? Waren oder sind Sie 6 Monate oder länger bettlägerig oder auf den Rollstuhl angewiesen?
  5. Ist Ihre Ernährung oder Ihr Genussmittelverbrauch knochenschädigend?
    a) Ernähren Sie sich kalziumarm (selten Milch oder Milchprodukte, kaum grünes Gemüse, keine kalziumhaltigen Nahrungsergänzungsmittel?
    b) Wurde Ihnen ein Teil des Magens oder der ganze Magen entfernt?
    c) Trinken Sie täglich mehr als 2 Gläser eines alkoholischen Getränkes?
    d) Rauchen Sie täglich 20 oder mehr Zigaretten?
  6. Nahmen/Nehmen Sie länger als 6 Monate Kortisonpräparate ein? (entscheidend sind nur Tabletten)
  7. Sind Sie gehbehindert, benutzen Sie eine Gehhilfe?
  8. Haben Sie Lähmungen?
  9. Stolpern oder stürzen Sie häufig?
  10. Sind Sie sehbehindert trotz einer Brille?

Haben Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit JA beantwortet, besteht bei Ihnen eine erhöhte Knochenbruchgefahr.

Bitte setzen Sie sich unbedingt mit uns in Verbindung und lassen Sie eine Osteoporose abklären!

Bei der Diagnostik der Osteoporose konnten in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte erzielt werden. So wird nicht allein die Knochendichtemessung berücksichtigt, es erfolgt eine umfassende Risikobewertung der Komponenten für eine erhöhte Knochenbrüchigkeit.

Nach den S3 Leitlinien des DVO (Dachverband Osteologie) von 2014 wird folgendes Vorgehen empfohlen: Anamnese, klinischer Befund, Erhebung der Risikofaktoren.

  • Vorgeschichte, Anamnese inkl. Familien- und Medikamentenanamnese, Fraktur und Sturzanamnese
  • Aktuelle Beschwerden: neue Rückenschmerzen? Allgemeinzustand? Funktionsbeeinträchtigungen?
  • Osteoporoseprophylaxe erfolgt?
  • Körperliche Untersuchung u.a. hinsichtlich Rundrücken, „Tannenbaumphänomen“ (typische Hautfalten am Rücken), Messen von Körpergröße und Gewicht (BMI)
  • Osteodensitometrie: Das Standardver­fahren ist die DXA/DEXA (dual energy X ray absorptiometry).
  • Ggf. Röntgen oder andere Bildgebung (z.B. CT) bei klinischem Vedacht auf Frakturen
  • Labor: Laborchemisch sollten Risikofaktoren gemessen und Hinweise auf sekundäre Osteoporose bzw. andere Differenzialdiagnosen erhoben werden: BSG, CRP, Blutbild, Kreatinin
  • Clearance, Serumcalcium und phosphat, TSH, Serumeiweiß- elektrophorese, 25 Hydroxyvitamin D3; fakultativ Testosteron bei Männern; evtl. Knochenumbaumarker
  • Ggf. histologische Untersuchung: zur Diagnostik seltener Formen der Osteoporose.

Zur Stadieneinteilung der Osteoporose werden die Ergebnisse der Knochendichtemessung mittels DXA/DEXA Verfahren und die Frage nach niedrigtraumatischen Frakturen herangezogen. 

Klinische Stadien

Bezeichnung

Kriterien (DXA-Messung)

0

Osteopenie

T-Score:-1,0 bis -2,5 SD

1

Osteoporose (ohne Frakturen)

T-Score: < -2,5 SD keine Frakturen

2

manifeste Osteoporose

erniedrigte Knochendichte 1-3 Wirbelkörperfrakturen ohne adäquates Trauma

3

fortgeschrittene Osteoporose

erniedrigte Knochendichte multiple Wirbelfrakturen oft extraspinale Frakturen

 

 

Unter dem Begriff primäre Osteoporose (95% aller Osteoporose-Erkrankungen) wird neben der seltenen juvenilen idiopathischen Osteoporose v.a. die postmenopausale und senile Osteoporose subsumiert.

 

Postmenopausale Osteoporose

Senile Osteoporose

Alter (Jahre)

50 – 70

> 70

Geschlecht (w:m)

Frauen

2:1

Häufigste Frakturen

Wirbelkörper

Schenkelhals, Radius, Humerus, Wirbelkörper

Ursachen

Östrogenmangel

Bewegungsmangel, Mangel an Calcium und/oder Vitamin D

Die Ursachen für die sekundäre Osteoporose sind vielfältig und die wesentlichen in folgender Tabelle aufgeführt.

Immobilisation

z.B. nach Frakturen

Iatrogen/ medikamentös

Glukokortikoid- Langzeittherapie, Heparin, Marcumar, Antiepileptika, PPI, Glitazone

Endokrine Ursachen

Diabetes mellitus, Hyperkortisolismus, Hypogonadismus, Hyperthyreose u.a.

Malabsorptionssyndrom

Verminderte Zufuhr von Calcium und/oder Vitamin D3

Erkrankungen, die mit Osteoporose assoziiert sind

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen, entzündl. Darmerkrankungen, Anorexia nervosa

Hereditäre Erkrankungen

Osteogenesis imperfecta, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom, Homozysteinurie

 

 

 

 

a. Generelle Empfehlungen:

  • Durch körperliche Aktivität sollten Muskelkraft und Koordination gefördert werden, um auch Stürze zu vermeiden. Eine Immobilisation sollte vermieden werden. Sedierende Medikamente, die ein erhöhtes Risiko für Stürze mit sich bringen, sollten restriktiv, d.h. nur bei entsprechender Indikation, eingesetzt werden.
  • Ein guter Ernährungszustand muss angestrebt werden (BMI>20). Die Calciumzufuhr sollte täglich 1000 mg betragen. Calciumsupplemente wie Brausetabletten sollten nur bei ungenügender Zufuhr über die Nahrung zum Einsatz kommen.
  • Bei geringer Sonnenlichtexposition und/oder Vitamin D3 Mangel sollten täglich 800-2000 IE Vitamin D3 oral zugeführt werden. Nikotinkonsum sollte vermieden, der Alkoholkonsum reduziert werden.

b. Medikamentöse Therapie

  • Die Indikation zur medikamentösen Osteoporosetherapie wird in Abhängigkeit von Geschlecht, Lebensalter, DXA Knochendichte und Risikofaktoren (s. oben) gestellt.
  • Eine generelle Indikation besteht bei niedrigtraumatischen Frakturen und einer Knochendichtemessung mit T Score < -2,0.
  • Des Weiteren besteht eine generelle Indikation zur medikamentösen Therapie bei einer bestehenden oder geplanten Therapie mit oralen Glukokortikoiden (mindestens 7,5 mg Prednisolonäquivalent täglich über mehr als 3 Monate) bei einem T Score ≤ -1,5 bzw. bei bekannten niedrigtraumatischen Frakturen. Abweichend von diesen Empfehlungen kann individuell entschieden werden.
  • Es steht eine Vielzahl an Medikamenten zur Osteoporosetherapie zur Verfügung. Bei der Auswahl der Medikamente sind das Geschlecht des Patienten, die Art der Osteoporose, die Begleiterkrankungen und Kontraindikationen (wie z.B. eine eingeschränkte Nierenfunktion) bedeutsam.
  • Bisphosphonate (z.B. Alendronat, Risedronat, Ibandronat, Zoledronat) sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente („firstline Therapie“). Sie hemmen den Knochenabbau; die Knochendichte nimmt dadurch zu. Antiresorptive Wirkung haben auch die selektiven Estrogenrezeptor Modulatoren (SERM) und der humane monoklonale Antikörper Denosumab.
  • Im Weiteren werden Medikamente eingesetzt, die die Knochenbildung fördern, wie Teriparatid, ein humanes Parathormon Fragment. Durch eine intermittierende PTH Erhöhung kann der Knochenaufbau stimuliert werden.
  • Die Medikamenten -spezifischen Nebenwirkungen sind vielfältig, insgesamt ist der Benefit, d.h. die Senkung des Frakturrisikos bei Osteoporose, jedoch deutlich höher zu bewerten als das Risiko für die Entwicklung von Nebenwirkungen.

c. Weitere Therapieansätze

  • Bei Frakturen kommt eine symptomatische Schmerztherapie zum Einsatz. Bei frischen Wirbelkörperfrakturen muss über eine Kyphoplastie und Vertebroplastie entschieden werden. 

Ein Kalziummangel und ein Vitamin D-Mangel sind Risikofaktoren für Frakturen. Eine kombinierte Supplementierung mit Kalzium und Vitamin D senkt die Inzidenz von Hüftfrakturen und vermutlich allen Frakturen bei älteren Männern und Frauen. Die Wirkung könnte bei nichtinstitutionalisierten Personen geringer sein als bei in Senioren- und Pflegeheimen lebenden Personen.

Vitamin D wird durch eine Sonnenlichtexposition in der Haut gebildet. Die Leitliniengruppe DVO 2014 empfiehlt eine medikamentöse Supplementierung mit 800-1000 Einheiten Vitamin D3 täglich bei Personen mit einem hohen Sturz- und/oder Frakturrisiko mit einer geringen Sonnenlichtexposition.

Bei Hochdosistherapien wie Einmalgaben von 500.000 IE Vitamin D fand sich ein erhöhtes Sturz- und Frakturrisiko, so dass eine biphasische Wirkung von Vitamin D in Bezug auf Brüche und Stürze möglich erscheint.

Die Aufnahme von Vitamin D kann vermutlich durch eine Einnahme zu den Hauptmahlzeiten optimiert werden.

  • Vitamin D Mangel kommt in Deutschland häufig vor, wird jedoch oft zu spät erkannt und zu zögerlich therapiert.
  • Das Screening auf Vitamin D Mangel sollte in der unfallchirurgischen und orthopädischen Frakturtherapie zum Standard gehören.
  • Auch Allgemeinmediziner und Internisten sind aufgerufen, das Screening auf Vitamin D Mangel und die Substitution in der Praxis fest zu etablieren. Die Toxizität einer Vitamin D Überdosierung wird überbewertet.
  • Die Osteoporose ist die häufigste Knochenerkrankung im Alter.
  • Die große medizinische und gesundheitspolitische Bedeutung der Osteoporose ist vielfach bekannt, dennoch ist die Rate der nicht diagnostizierten Osteoporose Fälle nach wie vor hoch.
  • Eine rechtzeitige Diagnosestellung und adäquate Therapie ist jedoch notwendig, um Komplikationen zu vermeiden.
  • Über die Hälfte der Osteoporosepatienten erleidet innerhalb von 4 Jahren nach Diagnosestellung mindestens eine Fraktur.
  • Osteoporotische Frakturen sind im höheren Alter mit einer eingeschränkten Lebensqualität und einer erhöhten Mortalität verbunden. Nach Schenkelhalsfraktur beträgt die Mortalitätsrate etwa 20% in den ersten 1–2 Jahren.
  • Zur Diagnose und Therapieentscheidung wird nicht mehr alleine die Knochendichtemessung herangezogen. Vielmehr werden Risikofaktoren, die eine Osteoporose begünstigen, in die Bewertung mit einbezogen.
  • Ziele der Therapie sind die Schmerzreduktion, Steigerung der Lebensqualität und die Reduktion der Frakturrate.
  • Die Indikation für eine medikamentöse Therapie, es werden in erster Linie Bisphosphonate eingesetzt. Begleitend ist unbedingt auf eine ausreichende Calcium und Vitamin D3 Zufuhr zu achten.
  • Eine zeitgerechte, individualisierte Osteoporosetherapie ermöglicht in vielen Fällen eine Verbesserung der Knochendichte und somit eine Verbesserung der Lebensqualität.
  • Angesichts der steigenden Zahl an Erkrankungsfällen ist ein hohes Bewusstsein für die Erkrankung wesentlich. Nur so können Risikofaktoren frühzeitig beseitigt und eine anti - osteoporotische Behandlung begonnen werden.